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Naturwissenschaft und Glaube

Der Vortrag in der Senioren-Union Leonberg galt der grundsätzlichen Frage, die die Menschheit schon immer stark bewegt hat, ob Naturwissenschaft und Glaube streng getrennt aufzufassen – disjunktiv – seien oder ob sie eng zusammenhängen. In der Naturwissenschaft gilt – vereinfacht - nur, was beweisbar, erklärbar und nachvollziehbar ist, während sich der Glaube als nicht beweisbar darstellt.

Glaube und Naturwissenschaften werden sowohl bei Theologen und Philosophen als auch bei Wissenschaftlern stark diskutiert. Der amerikanische Molekularbiologe Dean Hamer hat, nachdem er den vesikulären Monoamintransport als für die Steuerung des Hirnstoffwechsels verantwortlich herausgefunden hatte, sein Buch über das „Gottes-Gen“ veröffentlicht, das die Menschen zwangsläufig an Gott glauben lässt. Dagegen sehen Evolutionsbiologen wie Richard Dawkins die Religion als Produkt unseres im Laufe der in Jahrmillionen vollzogenen menschlichen Entwicklung gewachsenen Gehirns. Der bekannte Nobelpreisträger Werner Heisenberg sah „im politischen Leben der Menschen einen dauernden Wechsel der Werte im Kampf von Illusionen und unwahren Idealen, in der Wissenschaft aber einen Bereich, in dem das, was wir sagen, letzten Endes wahr oder falsch ist. Hier gibt es eine höhere Macht, die unbeeinflusst durch unsere Wünsche endgültig entscheidet und damit wertet“.

Seit dem Altertum begleitet uns die Frage des Verhältnisses von Wissenschaft und Glaube: Bei den Ägyptern hat der Pharao Amenophis IV die Einheit von Gott – als Sonnengott Aton - mit den Regierenden Echnoton (Amenophis) und seiner Frau Nofretete als Dreieinigkeit gesehen, vor 1200 Jahren wurde die Gottverehrung und Schöpfung im „Wessobrunner Gebet“ in Stein gemeißelt, und in sehr vielen großartigen geistigen Leistungen wird der Fortschritt sichtbar. Als Beispiel sei der in Esslingen geborene evangelische Pfarrer und hochbegabte Mathematiker Michael Stifel, Erfinder des Wurzelzeichens und des „Sudoku“ und Freund Martin Luthers genannt, der aus Zahlenandeutungen in der Bibel den Weltuntergang zum 19. Oktober 1533 um 8 Uhr morgens vorhersagte und vor den dadurch entfachten Unruhen im Lande durch Luthers Hilfe vom sächsischen Kurfürsten in Schutzhaft genommen wurde.
Auch die neuere naturwissenschaftliche Forschung hat den Gottesgedanken intensiv verfolgt: Der wohl größte Wissenschaftler der Neuzeit, Sir Isaac Newton, philosophierte, dass „wer oberflächlich Physik betreibt, an Gott glauben kann, wer sich aber intensiv damit beschäftigt, der muss an Gott glauben“. Die Naturwissenschaften finden und beschreiben die Gesetze, wie die Natur funktioniert, sie können aber nicht feststellen, woher die Gesetze kommen. Die die Natur bestimmenden Kräfte sind Gravitation, Elektromagnetismus, starke und schwache Wechselwirkung. Diese gelten identisch für die mindestens 46 Größenordnungen vom Allerkleinsten bis zum Fernsten unseres Universums. Darüber hinaus haben die Naturkonstanten Lichtgeschwindigkeit c, Elementarladung e, Plancksches Wirkungsquantum h präzise unabänderliche Werte. Wenn sie sich – wenn auch nur geringfügig - geändert hätten, wäre die Entstehung biologischen Lebens nicht möglich gewesen, wie der Chemie-Nobelpreisträger Jaques Lucien Monod feststellte. Er war es auch, der mahnte, „dass wir erkennen müssten, wie bedeutungslos wir sind“. Gottfried Wilhelm Leibniz ist als Vordenker der christlich-abendländischen Aufklärung. Er war der Meinung, dass aus der unendlich grossen Zahl vorstellbarer Welten unsere die am besten von Gott geschaffene ist. Der Evolutionsforscher Charles Darwin vertrat die Meinung, dass trotz der möglichen und vorhandenen Vielfalt die bestehende Ordnung nicht Zufall ist, sondern den Weg zu Gott weist. Albert Einstein, der berühmte Schöpfer der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie, kam zu der Erkenntnis, dass „Gott um so größer erscheint, je mehr wir erkennen und entdecken“. Der Soziologe und Philosoph Hans Albert macht jedoch in seinem „Traktat über kritische Vernunft“ deutlich, dass jeder Versuch des letztendlichen Gottesbeweises zum „Münchhausen-Trilemma“ mit Zirkelschluss führt.

Der Vortragsschluss befasste sich mit den neueren Erkenntnissen über das Universum. Nach den Messungen von Sir Edwin Powell Hubble zur Ausdehnung des Weltalls mit 72 km/s/par sec und damit zu dessen Alter von 13, 6 Milliarden Jahren gibt es – auch dank der großartigen Weltraumbilder des nach Hubble benannten Teleskops. Davon konnten natürlich nur wenige gezeigt werden. Das wird möglich, da wir das Licht der Sterne der Kernfusion in ihrem Inneren verdanken, ebenso die Entstehung der schweren Elemente, aus denen wir bestehen und die uns umgeben. Das Licht erreicht uns in elektromagnetischen Wellen, deren Beschreibung durch die Differentialgleichungen für die elektrischen und magnetischen Felder dem großen Briten James Clerk Maxwell gelang, der selbst beeindruckt durch ihre Einfachheit und Klarheit fragte: „War es ein Gott, der diese Zeichen schuf?“

Die Erkundung der Grenzen von Wissenschaft und Technik, der naturwissenschaftlichen Weltbeschreibung, öffnet den Blick für die Bedeutung von Glaubensaussagen. Das hat auch das Wessobrunner Gebet schon lange vorausahnen lassen. Werner Heisenberg hat es so formuliert: „Der erste Schluck aus dem Becher der Wissenschaft führt zum Atheismus, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott“.

Prof. Dr. Uwe Schumacher, Institut für Plasmaforschung an der Universität Stuttgart, hat am 19.12.2017 diesen Vortrag bei der Senioren Union Leonberg gehalten

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